Mittwoch, 19. Juni 2019

Die stille Tochter von Gard Sveen

Dieses Buch habe ich auf vorablesen.de gewonnen.

(c) hobbyrezensentin.blogspot.com
Dieser Thriller ist Tommy Bergmanns vierter Fall, der für mich bisher “ruhigste”, wenn man das bei Bergmann sagen kann. Ich tendiere sogar dazu, ihn eher als Krimi zu bezeichnen, was nichts Schlechtes sein muss.

Gard Sveen widmet sich dieses Mal Norwegens Geschichte während der 1970er Jahre. Es war die Blütezeit der DDR, die Mauer wackelte nicht, Amerika misstraute Russland, Europa misstraute der DDR und Russland misstraute sowieso jedem. Überall wimmelte es von Agenten und Oslo bildete da keine Ausnahme. Tommy Bergmann war damals noch jung. Als er zu einem Leichenfund gerufen wird, ahnt er nicht, wie tief in den Kalten Krieg ihn dieser Fall noch führen wird.

Die Stimmung in den Episoden, die in der Vergangenheit spielen, und sich mit den aktuellen abwechseln, ist gut eingefangen.
Gut ist auch, dass darauf verzichtet wurde, Zitate der russischen Agenten mit Akzent niederzuschreiben. Dies kann bei wenigen Malen authentisch wirken, aber bei längeren Texten wie so einem Buch doch auf Dauer sehr anstrengend zu lesen sein.

“Die stille Tochter” (auch wenn man Ende vermuten kann, worauf sich der Titel bezieht, der originale ist meiner Meinung nach treffender) ist ein durchwegs spannender skandinavischer Pageturner, der mich persönlich in zwei Aspekten ein wenig überrascht hat. In einem positiv, im anderen negativ.

Positiv: Wir erleben Tommy Bergmann hier öfter ratlos, über lange Strecken von anderen Ermittlern, von ihren Geschichten und Hinweisen zur damaligen Zeit, abhängig. Er hat wenige seiner sonst so prägnanten “Amokläufe”, verrückte Alleingänge, Geistesblitze, die vielleicht nicht immer ganz nachvollziehbar sind. Im Gegenteil - er wirkt geerdeter, liebt die Tochter seiner Lebensgefährtin mehr als er zugibt, recherchiert ganz klassisch und lässt sich überdurchschnittlich viel auf die Sprünge helfen.

Und hier sind wir auch schon beim negativen Aspekt. Ohne zu viel über die Auflösung zu verraten, sie ist zwar eine gute Wendung, aber kommt meiner Meinung nach am Ende etwas zu plötzlich daher. In dieser Form hätte es das einfach schon viel früher geben müssen, was natürlich zur Folge gehabt hätte, dass das Buch dann nur halb so dick geworden wäre.

Wie gesagt, der Twist und der Weg dahin sind durchaus spannend und ein Tommy Bergmann ohne “Superkräfte” oder viel Action ist ganz sympathisch, aber auf den letzten rund 20 Seiten geht es dann ein wenig schnell, als ob die Luft raus wäre.

Wer einen klassischen Skandinavien-Thriller-Einstieg ins Buch mag und das Abtasten und die Fallstricke zwischen den Protagonisten auf beiden Zeitebenen genießt, der wird aber dennoch an diesem Spionage-Krimi seine Freude haben.


Weitere Bände aus der Reihe mit Tommy Bergmann:
Leseeindruck zu "Der letzte Pilger" (1)
Rezension zu "Teufelskälte" (2)
Rezension zu "Der einsame Bote" (3)



Zuletzt aktualisiert am 19.06.2019.

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