Mittwoch, 25. August 2021

Harlem Shuffle von Colson Whitehead

Dieses Buch habe ich auf vorablesen.de gewonnen.

(c) hobbyrezensentin.blogspot.com
“Wo hast du dich da hineinmanövriert, Raymond?” Niemand nennt Ray Carney bei seinem vollen Namen, außer seine überkritischen, gut situierten Schwiegereltern. Als Leser möchte man das auch manchmal, um Ray darauf aufmerksam zu machen, dass seine Taten böse Konsequenzen haben könnten.

Ray, Besitzer eines Möbelgeschäfts im New York der Sechzigerjahre, hat Ehrgeiz und sein Herz am rechten Fleck. Doch er kann auch nicht komplett aus seiner Haut und der Situation, die sein Viertel, seine Stadt und sein Land bis heute prägt. Für die meisten Weißen und viele besser gestellte Afroamerikaner ist er nur der Möbelhändler. Und die Tatsache dass sein Laden gut läuft, hängt ohnehin nur damit zusammen, dass er krummer Dinger dreht.

Die Geschichte seines Vaters Michael und seines Cousins Freddie, beide nicht immer ganz legal unterwegs, zusammen mit den tief verwurzelten Vorurteilen und Rassenproblemen, drängt ihr letztlich ebenso langsam und schleichend in ein Eck, in dem er sich früher nie gesehen hätte. Die ehrliche und die kriminelle Seite teilen sich fortan ihren Platz in Ray Carney und je nach Tagesform geht er mal besser und mal schlechter damit um.

1964 erlebt der fiktive Ray den nur allzu realen Aufstand in Harlem mit. Als Reaktion auf den Tod des Afroamerikanischen Jugendlichen James Powell, der von einem weißen Polizisten erschossen wird, demonstrieren hunderte Menschen über mehrere Tage. Gauner und Plünderer nützen die allgemeine Empörung auch für Sachbeschädigungen und Schlimmeres.

“Harlem Shuffle” als “Nachhilfe in Sachen ‘Black lives matter’” zu bezeichnen, wäre etwas zu plakativ gesagt, aber viele der historischen Tatsachen aus dem Roman haben immer noch Gültigkeit, noch viel Bedeutung und sind noch immer noch gelöst. Um zu verstehen, warum ein Land oder eine Stadt so ist wie sie ist, muss man sich mit der Vergangenheit beschäftigen.

Colson Whitehead schafft es mit seinem prägnanten Stil, die “Geschichtsstunde” und vieles mehr in eine spannende, historisch realistische Geschichte zu verpacken und ohne den mahnenden Fingen haben zu müssen, führt er uns an den Kern des Problems und zeigt, wie sehr wir letztlich alle von unserer Umwelt mitbestimmt werden. Damals wie heute. In Europa, Asien oder Amerika. Unabhängig von Religion oder Hautfarbe.


Weitere interessante Lektüre:

125th Street
Strivers’ Row
Chock full o'Nuts
Hotel Theresa
Imperial Theatre
Riverside Drive
Three Card Monte
Robert Anderson Van Wyck



Erstmals veröffentlicht am 25.08.2021.

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